Gesang der Geister über den Wassern. Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muß es, Ewig wechselnd. Strömt von der hohen, Steilen Felswand Der reine Strahl, Dann stäubt er lieblich In Wolkenwellen Zum glatten Fels, Und leicht empfangen Wallt er verschleyernd, Leisrauschend, Zur Tiefe nieder. Ragen Klippen Dem Sturze entgegen, Schäumt er unmuthig Stufenweise Zum Abgrund. Im flachen Bette Schleicht er das Wiesenthal hin, Und in dem glatten See Weiden ihr Antlitz Alle Gestirne. Wind ist der Welle Lieblicher Buhler; Wind mischt vom Grund aus Schäumende Wogen. Seele des Menschen, Wie gleichst du dem Wasser! Schicksal des Menschen, Wie gleichst du dem Wind! Johann Wolfgang von Goethe, 1789